Im Hafendorf am Hainer See wird grüne Wärme aus dem Wasser gewonnen
Vor den Toren Leipzigs liegt das Leipziger Neuseenland: eine ehemalige Braunkohleregion, die nach der Schließung zahlreicher Tagebaue Anfang der 1990er Jahre zu einem weitläufigen Naherholungsgebiet rekultiviert wurde. Am Nordufer des Hainer Sees – mit 600 Hektar einer der größten der Region – entsteht nun ein Feriendorf, welches den Strukturwandel der Region verkörpert wie kein anderes. Denn die zu Seen gewordenen Tagebaulöcher nutzt es nicht nur für florierenden Tourismus und Wassersport, sondern auch zur Wärmeversorgung.
Aquathermie betreibt das dorfeigene Nahwärmenetz
Das Dorf Hain, Namensgeber des Hainer Sees, fiel in den frühen 70er-Jahren dem Braunkohlebergbau zum Opfer. Nun erfährt der weggebaggerte Ort eine Wiedergeburt als Feriendorf. Als eines der ersten seiner Art nutzt das „Hafendorf Hain“ Aquahermie zur Wärmeversorgung. Unter Aquathermie versteht man die Nutzung des Grundwassers oder oberflächennaher Gewässer zum Heizen oder zum Kühlen von Gebäuden – in diesem Fall die Umgebungswärme aus dem Hainer See. Diese wird in eine zentrale Wärmepumpenanlage gespeist und versorgt von dort das gesamte Quartier mit grüner Wärme. Geplant und realisiert wird diese innovative Wärmeversorgung von der Quartiersenergie GmbH, einer gemeinsamen Tochter der Leipziger Stadtwerken und der Tilia GmbH. Mitte August 2024 startete der Probebetrieb.
Das moderne Feriendorf besteht aus 17 Gebäuden mit 34 Apartments, dazu einem Verwaltungsgebäude, zwei Bootsgaragen und einem Wassersportzentrum. Dazu gesellen sich Cafés und Ladengeschäfte. Insgesamt sind das 4.400 m2 beheizte Nutzfläche, die zukünftig vom großen Potenzial der Aquathermie profitieren.
Ein oberhalb des Dorfes gelegenes, zentrales Heizhaus ist das Herzstück des dorfeigenen, 800 Meter langen Nahwärmenetzes. Von hier wird die Wärme über zwei Wärmepumpen mit je 78 kW Leistung an die insgesamt 29 Hausanschlüsse gespeist. Ein Gasbrennwertkessel sorgt als Backup dafür, dass bei Lastspitzen im Winter, wenn die Seetemperatur mal zu niedrig sein sollte, die Wärmeversorgung gewährleistet bleibt. Im Sommer, wenn hohe Temperaturen die Urlaubsgäste erfreuen, wird die Anlage zur Kühlung der Gebäude genutzt.
Wie effektiv ist Aquathermie im Vergleich zu anderen Techniken?
Die Lösung bietet Vorteile im Vergleich zu:
Luft-Wasser-Wärmepumpen
- Sehr geringe Geräuschemission
- Weniger sichtbar
- 20 % weniger Strombedarf
Geothermie:
- Geringere Investitionskosten
- Höhere Ergiebigkeit am Standort
- Keine Bohrrisiko
- Geringerer Flächenbedarf
- Wartungsfreundlicher
Die technische Innovation liegt unter dem Bootssteg
Unsichtbar für die Bewohner des Feriendorfs ist die Aquathermieanlage unter einem Bootssteg installiert. Sechs parallel angeordnete Wärmeübertrager versorgen als Energiequelle das gesamte Dorf. Zur Leistungssteigerung sind sie mit innovativen Propellern, sogenannten „Oloid-Rührwerken“, kombiniert. Oloid beschreibt einen 1929 von Paul Schatz erfundenen geometrischen Körper, dessen Oberflächeneigenschaften eine besonders effiziente Wasserumwälzung garantieren.
„Oloide sind eine bewährte Rührtechnologie, zum Beispiel in Aquarien oder Kläranlagen. Ihr Einsatz zur effizienten Wärmegewinnung, wie bei diesem Projekt, ist aber einmalig“, erläutert Martin-Joseph Hloucal. Der Diplom-Ingenieur ist der Vater dieser Innovation. Dem Oloiden lief er in einem früheren Projekt über den Weg und kam dann auf die Idee zum Einsatz in der Aquathermie. „Wenn Wärmetauscher in fließenden, anstatt in stehenden Gewässern wie dem Hainer See eingesetzt werden, steigert sich ihre Leistung. Mit dem Oloid-Propeller machen wir uns diesen Effekt zunutze und erzeugen eine leichte räumlich begrenzte Strömung und verbessern die Leistung der Wärmetauscher. Gerade in Kälteperioden, wenn der tiefere Seeteil noch warm ist, die Oberfläche aber schon nahe dem Nullpunkt ist, sichern wir damit die Nutzbarkeit und Effizienz der Anlage.“
Mit einer benötigten Leistung von nur 220 Watt sind Oloid-Propeller eine energiesparende Lösung, die zugleich durch erhöhten Sauerstoffeintrag der Flora und Fauna des Sees zugutekommt. Die Erforschung und Umsetzung der innovativen Technik wird als eines von fünf richtungsweisenden Strukturwandelprojekten vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.
Diese innovative Lösung wurde vom Leipziger Unternehmen OLOID Solution GmbH entwickelt, welche ihre Produkte weltweit anbietet. Auf ihrer Website finden Sie weiterführende Informationen.
Tagebauseen als Chance für die Wärmewende
In Ländern wie der Niederlande wird Aquathermie seit längerem erfolgreich eingesetzt, aber auch in Deutschland steigt das Interesse an der Technologie stetig. Sein Einsatz hat – nicht nur am Hainer See – viele Vorteile gegenüber anderen Versorgungskonzepten: Gegenüber einer Lösung mit oberflächennaher Geothermie mit Bohrsonden stehen die vergleichsweise geringen Investitionskosten. Gegenüber einer klassischen Luft-Wärmepumpen-Lösung stehen die erheblich geringere Geräuschbelästigung und die bessere Energieeffizienz. Generell ermöglicht Aquathermie eine relativ hohe Leistungsdichte bei geringem Flächenbedarf. Das macht die Technologie auch für große Wärmeleistungen interessant.
Durch den Einsatz von Aquathermie werden Tagebauseen zur Chance für die Wärmewende. Mit einer Jugendherberge am Markkleeberger See ist bereits ein zweites Projekt in der Strukturwandelregion Mitteldeutschland in Planung. Weitere Projekte und eine strategische Marktentwicklung können insgesamt einen wichtigen wirtschaftlichen Impuls für die Region setzen.
Das Hainer Aquathermie-Projekt in den Medien
Detector FM hat in seiner Podcast-Reihe „Nach der Kohle“ eine ganze Folge dem Aquathermie-Projekt gewidmet. Was es mit dem Silberfisch auf sich hat, der noch große Welle schlagen wird, finden Sie in diesem hörenswerten Beitrag heraus:
https://detektor.fm/gesellschaft/nach-der-kohle-folge-8-silberfisch-oloid
Presse
August 2024: Das „Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz“ postete bei LinkedIn über unser Projekt:
Zum LinkedIn-Post
Juli 2024: „Bild der Wissenschaft“ berichtet in seiner Juli-Ausgabe unter dem Titel „Wärme aus Wasser“ über unsere innovative Lösung für Aquathermie in stehenden Gewässern:
https://www.wissenschaft.de/bdwplus/waerme-aus-wasser/
Juli 2024: Die „Zeitung für kommunale Wirtschaft“ titelt mit „Neue Wege der Aquathermie“
Artikel
Juni 2024: Die „Wirtschaft in Sachsen“ berichtet über die Tilia und das Hafendorf Hainer See:
https://www.wirtschaft-in-sachsen.de/de/innovationen-unterm-bootssteg/
Juni 2024: „Der Gemeinderat“ berichtet in seiner Juniausgabe 2024 über das Hainer Projekt
PDF-DerGemeinderat-Juni2024
Die Wärmeversorgung Hafendorf Hain
ist ein Gemeinschaftsprojekt der Leipziger Stadtwerke und der Tilia GmbH
…und wird realisiert durch die Quartiersenergie GmbH
Das Projekt wird gefördert durch
Mittel aus dem Strukturwandel über das
Programm „Unternehmen Revier“
Projektpartner Förderprojekt